Die Menschen erreichen nicht nur ein höheres Alter, sie sind auch zunehmend bis ins höhere Alter aktiv und selbstständig. Diese Entwicklung ist natürlich erfreulich, führt jedoch zu einer steigenden Anzahl von Verletzungen älterer Menschen.
Gangstörungen und Stürze gehören zu den häufigsten Gesundheitsproblemen älterer Menschen. Statistisch kommt es bei etwa 30 Prozent generell gesunder Menschen über 65 Jahren zu einem Sturz pro Jahr, bei den über 90-Jährigen stürzen mehr als 50 Prozent mindestens einmal pro Jahr.
Im Alter verändert sich die Zusammensetzung der Knochen – die Dichte, Festigkeit und Elastizität des Knochens nimmt ab. Dies wird als Osteoporose bezeichnet. Die Folge ist, dass schon ein kleiner Sturz zu schweren Verletzungen und Knochenbrüchen führen kann. Zudem steigt mit höherem Alter die Häufigkeit von chronischen Erkrankungen, die zu einer Gangunsicherheit und erhöhter Fallneigung führen können.
Bei zehn Prozent der Stürzen treten medizinisch behandlungsbedürftige Verletzungen in Form von Wunden, Prellungen oder Frakturen auf, die mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert sind. Gemäß Unfallstatistik sterben 17 Senior:innen pro Tag in Deutschland nach einem häuslichen Sturz, das ist mehr als die Zahl der Unfalltoten durch Verkehrsunfälle.
Auch die Gefahr, die vormalige Mobilität, Selbständigkeit und Lebensqualität nach einem Sturz oder einer Fraktur nicht wiedererlangen zu können, steigt mit dem Alter deutlich an.
Viele Menschen leiden nach einem Sturz am sogenannten Post-Fall-Syndrom, einer ausgeprägten Sturzangst, die dazu führt, dass Betroffene sich nicht mehr alleine oder zunehmend weniger bewegen, was wiederum die Sturzgefahr erhöht, sodass ein Teufelskreis entsteht, der häufig im Pflegeheim endet.
Ältere Menschen haben meist neben der akuten Verletzung mehrere chronische internistische, neurologische oder sonstige Begleiterkrankungen (Multimorbidität). Sie sind dadurch besonders gefährdet, Komplikationen und Folgeerkrankungen zu entwickeln (wie beispielsweise ein akuter Verwirrtheitszustand (Delir), Druckgeschwüre, Muskelabbau oder Lungenentzündung), was schließlich zu einer dauerhaften Einschränkung der Mobilität und zum Verlust der Selbständigkeit bis hin zu einer dauerhaften Pflegebedürftigkeit führen kann. Diese Erkrankungen gilt es – parallel zur operativen oder konservativen chirurgischen Versorgung der Verletzung oder Fraktur – mit geriatrischer Kompetenz zeitgleich mitzubehandeln, um ein möglichst gutes Behandlungsergebnis zu erzielen.
Diesen Problemen haben wir uns bereits 2014 gestellt und die Zusammenarbeit zwischen der orthopädisch/unfallchirurgischen Klinik und der geriatrischen Klinik in den Main-Taunus-Kliniken durch den gemeinsamen Aufbau eines Alterstraumatologischen Zentrums (ATZ) intensiviert.
2015 wurde das ATZ dann als eines der ersten Zentren in Deutschland und in Hessen als AltersTraumaZentrum der DGU (Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie) zertifiziert und im Jahr 2018 re-zertifiziert. Wir können somit bereits eine mehrjährige Erfahrung in der Behandlung dieser schwierigen Patientengruppe mit guten gemeinsamen Ergebnissen vorweisen.
Der Behandlungsansatz für betagte Patient:innen über 70 Jahren mit traumatischen Brüchen oder Gelenkverschleiß in unserem AltersTraumaZentrum DGU® ist eine ganzheitliche und von Beginn an interdisziplinäre Betreuung im multiprofessionellen Team, geleitet von Traumatologen und Geriatern.
An der gemeinsamen Behandlung wirken besonders spezialisierte Pflegekräfte, Physio- und Ergotherapeut:innen, Psycholog:innen, Logopäd:innen sowie Sozialberater:innen als interdisziplinäres Team mit.
Durch das Zusammenwirken von Unfallchirurgie und Geriatrie von Beginn an besitzt unser AltersTraumaZentrum eine besondere Kompetenz in der frühestmöglichen interdisziplinären Erkennung und Behandlung von Risiken beziehungsweise Komplikationen bei alterstraumatologischen Krankheitsbildern.
Bei der operativen Versorgung unserer alterstraumatologischen Patient:innen können häufig schonende minimal-invasive Verfahren durchgeführt werden. Die verwendeten Implantate wurden speziell für die Operation des osteoporotischen Knochens im Alter entwickelt.
Die ganzheitliche Versorgung betrifft insbesondere die Aspekte: Schmerz, Verwirrtheitszustände, Sturzvorbeugung, Osteoporose, Infektionen, Wunden, Ernährung, Multimedikation sowie die besonderen sozialmedizinischen Problemstellungen im höheren Lebensalter.
Der frühzeitigen Integration rehabilitativer Aspekte bei der Behandlung des betagten, unfallverletzten Menschen räumen wir höchste Priorität ein. Auch das Narkoseverfahren wird unter Berücksichtigung der häufig komplexen Grunderkrankungen im Alter durchgeführt, wobei ein möglichst frühzeitiger Operationszeitpunkt, möglichst innerhalb von 24 Stunden, angestrebt wird.
Nach abgeschlossener unfallchirurgischer Akutversorgung erfolgt in unfallchirurgisch-geriatrischer Abstimmung die frühestmögliche Verlegung auf unsere geriatrische Station. Ziel der weiteren rehabilitativen Therapie ist die Wiederherstellung einer größtmöglichen Mobilität, Selbsthilfefähigkeit und Lebensqualität im Alltag und die Entlassung in ein auf die individuellen Ressourcen abgestimmtes soziales Umfeld.